November 2006 - Weltbild Verlag

Kurt Haberstich, Sie haben insgesamt 18 Bücher geschrieben. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Bis zu einem folgenschweren Gleitschirm-Unfall 1989 war ich ein leidenschaftlicher Alpinist, der schon immer gerne geschrieben hat. Viele meiner Bergbesteigungen und Expeditionen konnte ich in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichen. Als ich physisch nicht mehr in der Lage war Berge zu erklettern, musste ich mir als Ausgleich zu meinem Berufsalltag eine andere Herausforderung suchen. Mit dem Schreiben konnte ich viele Probleme, mit denen ich in der Folge konfrontiert wurde, verarbeiten und mich neu orientieren. Die Entscheidung, intensiver zur Feder zu greifen, hat sich glücklicherweise als lohnenswert erwiesen.

Woher holen Sie sich Ihre Inspiration?
Am Meisten in der Natur und aus Begebenheiten des täglichen Lebens, besonders aus dem der „einfachen Leute“.

Wie würden Sie Ihren Schreibstil beschreiben?
Da ich viele Gedichte schreibe, versuche ich auch Prosatexte kurz und prägnant zu setzen. Ich gebe mir Mühe, mich „verständlich“ auszudrücken und schaue darauf, möglichst schnell auf den Punkt zu kommen. Ich verabscheue Texte, die sich dahin ziehen wie eine schleichende Krankheit.

Die meisten Ihrer Bücher und Kalender sind mit Ihren eigenen Fotos illustriert. Sind Sie gelernter Fotograf?
Nein. Zum Fotografieren bin ich über das Bergsteigen gekommen. Die notwendigen Grundkenntnisse habe ich mir im Laufe der Jahre autodidaktisch angeeignet. Erwähnenswert ist vielleicht, dass das Fotografieren im Gebirge neben dem Bergsteigen ein eigenes Abenteuer ist, das jeder auf seine Weise erlernen und bewältigen muss. Mittlerweile befinden sich etwa 13'000 Dias in meinem Archiv.

Könnten Sie alleine vom Schreiben leben?
Nein, wer keine Bestseller verfasst oder von den Medien gefördert wird, kann nicht vom Schreiben allein leben. Das war auch nie mein Ziel. Ich schreibe aus Freude und weil ich etwas mitteilen will.

Haben Sie einen Lieblingsautor oder ein Lieblingsbuch?
Mehrere. Die wichtigsten sind mir Tschingis Aitmatow, John Berger, Juri Rytchëu und Ernst Wiechert. Alle sind exzellente Darsteller der „einfachen Leute“ sowie grandioser Naturbeschreibungen. Eines meiner liebsten Bücher ist „Das einfache Leben“ von Ernst Wiechert.

Gibt es einen Autor, der Sie in Ihrem künstlerischen Schaffen beeinflusst hat?
Nicht bewusst. Ich versuche beim Schreiben ich selbst zu sein, wie ich es als grosser Individualist sonst auch tue.

An was arbeiten Sie gerade?
An einer Trilogie und an einem Gedichtband.

Hatten Sie schon mal eine "Ideen Pause" und falls ja, wie sind Sie damit umgegangen?
Da ich fast immer an verschiedenen Themen arbeite, habe ich dies noch nie spürbar erlebt. Sollte es einmal der Fall sein, werde ich mich einer anderen kreativen Tätigkeit zuwenden, bis mir zum Schreiben wieder etwas einfällt.

Verarbeiten Sie auch persönliche Erlebnisse in Ihren Geschichten?
Wie schon erwähnt, konnte ich während meiner aktiven Bergsteigerzeit einige Reportagen meiner Bergfahrten veröffentlichen. Auch jetzt bringe ich ab und zu selbst Erlebtes zu Papier. Zudem denke ich, dass auch ungewollt viele meiner Schilderungen in einem gewissen Mass mit eigenen Lebenserfahrungen gefärbt sind.

Viele Ihrer Bücher handeln von Brauchtum. Wie wird man zum Brauchtumsspezialisten?
Schon als junger Bursche hatte ich eine intensive Bindung zu Natur- und Wetter-geschehen sowie ein grosses Interesse an Bauern- und Brauchtum. Viele Bräuche haben mit dem Wechsel der Jahreszeiten zu tun. Als Naturmensch haben mich daher die überlieferten Gepflogenheiten immer fasziniert. In unserer schnelllebigen Zeit, die täglich nach neuen Ideen schreit, ist es mir wichtig, dass das Herkömmliche nicht vergessen geht und der Nachwelt in irgendeiner Form erhalten bleibt.

Sie waren bis vor kurzer Zeit voll berufstätig, nebenbei leidenschaftlicher Alpinist mit über 1000 Gipfel Besteigungen, Schriftsteller, Fotograf, Skulpteur, Kursleiter für Gestaltung und vieles andere mehr. Wie bringt man all diese Tätigkeiten unter einen Hut?
Es ist alles eine Frage der Organisation – und natürlich, welches Ziel man verfolgt. Wer sich selbst zu organisieren versteht, kann Prioritäten setzen und weiss Wichtiges und Dringliches zu unterscheiden. Dazu kommt, dass ich mir alle meine nebenberuflichen Beschäftigungen selber zugelegt habe, und zwar immer ohne den Druck, etwas „gemacht haben zu müssen“. Ich bin überzeugt, dass Tätigkeiten, die lustvoll verrichtet werden, immer ergiebig sind.

Herr Haberstich, herzlichen Dank für diesen kleinen Einblick in Ihr Leben und Schaffen.
Die Fragen stellte Lukas Heim, Verlagsleiter Weltbild Verlag GmbH