Laudatio von Kurt Haberstich an der Vernissage von Kurt Schärer, Aarau, Aquarellbilder und Zeichnungen im Staufferhaus, 5035 Unterentfelden
Samstag, 9. Oktober 1993, 17.00 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren
Liebe Freunde des Kunsthandwerks
Ich begrüsse Sie zur heutigen Vernissage und heisse Sie im Namen des Vereins Freunde des Staufferhauses sowie des ausstellenden Künstlers, dem Idyllenmaler Kurt Schärer aus Aarau herzlich willkommen.
Einmal mehr bietet der Vorstand des Staufferhauses einem würdigen Künstler Gelegenheit, mit seinem Schaffen vor die Öffentlichkeit zu treten. Und wo könnte das Resultat echt künstlerischen Empfindens und handwerklichen Könnens besser zur Geltung gebracht werden, als hier, in den heimeligen, ansprechenden Räumlichkeiten des Staufferhauses.
Obwohl die Ausstellung keinen besonderen Titel trägt, bin ich versucht, sie unter den begriff „Wiedergabe der Einfachheit als Herausforderung“ zu stellen. Denn bei Kurt Schärers Aquarellbildern und Zeichnungen stehen immer perfekte Reproduktionen von Landschaft und Alltäglichem, Natürlichem im Vordergrund.
Wie kam er zu dieser Ausdrucksweise: Während Klassenkameraden das Turnen als liebstes Fach betrieben, war das für Kurt Schärer ein Gräuel. Sein Lieblingsfach war Zeichnen und es bedeutete ihm weit mehr als die Pause. So lag es auf der Hand, dass er einen Beruf in dieser Richtung anstrebte. Seine Wahl fiel auf Retuscheur. Die heute anerkannten Kunstmaler Fritz Strebel und Heinz Balmer waren seine damaligen Zeichenlehrer.
1965 war ein Wendepunkt in seiner beruflichen Laufbahn. Er eröffnete ein „Fotografisches Etablissement“. Vielleicht lag es an der Kombination von Photo- und graphischer Branche, dass er als Veduten- und Idyllenmaler - wie er sich selbst ironisch bezeichnet – ein Perfektionist in der Wiedergabe seiner Vorstellungen wurde. Nichts auf seinen bis ins letzte Detail gestalteten Bildern überlässt er dem Zufall. Jeder Strich, jeder Schatten, Lichtspiele und Farbnuancen, die er mit seinen nadelspitzen Farbstiften ausführt, ist kontrolliert. Wo für ihn auf dem Bild etwas hingehört, zeichnet oder malt er es hin. Experimentieren duldet er nur als Studiumszweck oder als Abwechslung zu seiner stets konzentrierten Arbeit, nie aber integriert in eine Bildentstehung. Daher sind seine fertig gestellten Werke auch immer fertig, bedürfen bei eingehendem Betrachten selbst nach Jahren keiner Korrektur. Vergleicht man beispielsweise seine Landschaftsbilder mit vorgängig von ihm belichteten Fotos, wird man weder geografische, farbliche, formliche oder proportionale Abweichungen feststellen können. Seinem geschulten Auge entgeht auch das scheinbar Unwesentliche nicht. Und das ist seine Stärke. Was hingegen ins Auge sticht, ist, dass seine teils während monatelanger Sisyphusarbeit entstandenen Werke keine Momentaufnahmen darstellen, sondern lebendige Impressionen vermitteln, echte, gewachsene Natur wiedergeben. Seine Art zu malen und zu zeichnen stellt für ihn weder Kunst noch Wissenschaft dar. Für ihn ist es eine Technik, und auf was es ihm dabei ankommt ist: Damit innere Bilder umsetzen und den Mitmenschen Freude bereiten. seine Naturverbundenheit und seine selbstkritische Art gestatten es ihm, ehrliche Bilder, so genannte „Heile Welt“ oder besser mit seinen Worten ausgedrückt, „Naivität“ von früher in die heutige hektomatische, vertechnisierte Zeit hinüberzuretten. Darüber hinaus ist er immer selbst wieder erstaunt, was für eine Faszination seine gemalten Bilder auf die Betrachter ausüben.
Als jungen Mann zog es ihn zu den „Modernen“ und er bejubelte deren Vorreiter. Mit den Jahren wand er sich jedoch immer mehr von dieser Stilrichtung ab. Zuviel Überheblichkeit und Effekthascherei war seiner Ansicht nach darin enthalten. Mehr und mehr rückten für ihn Deutsche Romantiker in den Vordergrund. weniger ihrer Ideologie wegen, als durch ihr handwerkliches Können. Und obwohl er kein Kopist ist, nie einer werden wird und nie die grossen Meister nachzuahmen versuchte, ist es ihm gelungen, mit seinem eigenen Stil ebenbürtige Werke zu gestalten.
Neben der Ausstellung 1991 im Webereimuseum in Schmiedrued und der darauf folgenden in der Dorfschmitte Möriken im Februar dieses Jahres, ist dies die dritte Präsentation seines scheinbar unerschöpflichen Schaffens.
Möge dem Farb- und Gestaltungstechniker Kurt Schärer die Quelle der Kreativität noch lange nicht versiegen, damit seine Werke später anderorts gleiche Freude und Wertschätzung bei der Betrachtung hervorbringen, wie sie es bestimm hier im Staufferhaus vermögen. Zum Schluss bleibt noch Kurt Schärer zu danken, dass er uns teilhaben lässt an ausdrucksstarken Impressionen, die viele Besucher bereichern, manche davon in nachhaltiger Weise begleiten werden.
Kurt Haberstich, Oftringen